2. Adventsonntag 2018 C
Johannes der Täufer ruft uns heute auf, dem Herrn den Weg zu bereiten. Wir erkennen in seinen Worten zwei Vorgänge: Von uns aus gesehen: Das Wegbereiten. Von Gott aus gesehen: Das Schenken des Heils. Wir müssen etwas tun und Gott tut etwas – so kommt das Heil. Es wäre zu schön für uns, wenn alles der Herr machen würde. Martin Luther lehrte: “Sola gratia – allein die Gnade!” Der katholische Glaube sieht es anders: Gott wirkt mit seiner Gnade, er vollbringt seinen Teil und wir müssen unseren Teil beitragen. Gott handelt nie ohne uns oder gegen uns. Das Heilswirken Gottes fordert immer unser freies menschliches Mitwirken, unseren Beitrag.
Johannes der Täufer verwendet ein Bild aus dem Heiligen Land. Im Heiligen Land ist die Wüste Juda voller Schluchten und Hügel. Diese Wüstenlandschaft soll sozusagen zu einer ebenen Straße werden für den Einzug des Messias: „Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken.“ Johannes knüpft mit diesem Bild bei den Propheten an. Im übertragenen Sinn wollen wir Christus eine ebene Straße bereiten, damit er mit seinem Heil kommen kann. „Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken.“ Dieses Wort stellt uns vor die Frage: Was ist in meinem Leben wie ein Berg oder wie eine Schlucht? D.h. was ist in meinem Leben zu viel oder zu wenig vorhanden und dadurch ein Hindernis für den Herrn, ein Hindernis für sein Kommen?
In den Geschichten der Chassidim (der frommen Juden) wird Folgendes erzählt: „Rabbi Menachem Mendel fragte einmal einige gelehrte Männer, die bei ihm zu Gast waren:
Wo wohnt Gott? Da lachten sie ihn aus: Wie redest du. Die Welt ist doch voll von Gottes Herrlichkeit. Er aber beantwortete die eigene Frage: Gott wohnt dort, wo man ihn einlässt.“
Möglicherweise überrascht Sie diese Geschichte. Lebt Gott nicht in allem, was lebt? Gewiss. Aber es hilft uns nicht. Gott ist uns nur heilend nahe, wo wir ihn einlassen.
Der Advent aber könnte wieder einmal so ein Weg sein, das neu zu begreifen.
Gott kann man nicht haben wie einen Besitz. Wir haben da so unsere Schwierigkeiten mit dem Wort »besitzen«.
Wir geben vor, die Wahrheit zu besitzen, den rechten Glauben, Gott. Wer so redet und empfindet, der gerät in Gefahr. Wer sich nicht mehr einreiht in die Prozession der Suchenden, der ist längst in die Irre gegangen. Der hält seine eigenen dürftigen Gedanken für die Wahrheit.
»Gott wohnt, wo man ihn einlässt!« Gott wohnt auch dann nur in seiner Kirche, wenn sie ihn einlässt. Auch die Kirche lebt im Advent und muss sich immer wieder bekehren, um frei zu sein für Gottes Gegenwart.
Die Kirche ist nicht das Ziel. Die Kirche hat ein Ziel. Und diesem Ziel hat sie zu dienen. Und dieses Ziel ist nicht sie selbst. Die Kirche muss der Liebe dienen, Menschen befreien zur Liebe, ermutigen zur Liebe. Denn wo Liebe lebendig ist, da wächst das Reich Gottes, zu dem auch die Kirche unterwegs ist.
Mit Jesus Christus beginnt ein neues Zeitalter. Gott selbst tritt ein in die Geschichte der Menschen, er wird einer von uns. In Liebe nimmt er als Mensch teil am Schicksal von uns Menschen.
Gott tröstet sein Volk, das im Finstern war und im Schatten des Todes lebte. Mit Jesus Christus ist das Heil in die Welt gekommen. Einst wird er in Herrlichkeit wiederkommen auf den Wolken des Himmels. Wann dies sein wird, wissen wir nicht. Jedenfalls gilt: Wer in seinem Herzen allezeit bereit ist für Gottes Anruf, braucht auch den „Tag des Herrn“ nicht zu fürchten. Schon jetzt bereiten wir uns darauf vor, und der Advent lädt uns dazu ein, nach dem Herrn Ausschau zu halten! Amen.