4. Fasten Sonntag – A
Liebe Schwestern und Brüder,
Wer ist eigentlich der Blinde? Wer ist eigentlich der Behinderte?
Die Antwort ist einfach: Wer nichts sieht ist blind, und wer nicht laufen kann ist lahm.
Ein tamilisches Lied aus Indien erzählt von einer anderen Sichtweise: Der Blinde ist nicht der, der nicht sehen kann, sondern der, der dem anderen nicht in die Augen schauen kann – wegen seiner Schuld und seiner Scham. Der Lahme ist nicht derjenige, der nicht laufen kann, sondern derjenige, der den richtigen Weg des Lebens nicht gehen kann.
Im Evangelium heute werden wir mit einem Blinden konfrontiert. In dieser Szene gibt es drei Hauptakteure: Jesus, der einen Blinden heilt; ein Bettler, der von Jesus geheilt wird; und die Pharisäer, die dieses Geschehen genau “sehen” wollen, wissen wollen, wer da was gemacht hat – noch dazu am Sabbat!
Sie versuchen, diese Heilung mit ihren alten theologischen Maßstäben zu sehen. Aber das führt sie nur zur Verurteilung des Heilers und des Geheilten. In ihrer großen Hilflosigkeit nennen sie den Geheilten einen Sünder. Der Geheilte versucht das Geschehene zu erklären, ergreift Partei für seinen Heiler Jesus. Er will vermitteln, versucht auch die Pharisäer zu verstehen. Aber – er schafft bei ihnen kein Verständnis, keine neue Sicht.
Die Erkenntnis des kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry könnte uns dabei vielleicht helfen: “Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.”
Gott sieht mit dem Herzen. Gott schaut nicht auf die Verbote unserer Zeit, sondern er zeigt seine Heilungskraft – jenseits der Gesetze einer konkreten Zeit. Und im heutigen Evangelium durch eine persönliche und sehr körperliche Weise: Jesus macht einen Teig mit seinem Speichel und streicht ihn den Blinden auf die Augen. Ein ungeheures Zeichen der Nähe und Liebe!
Der Glaube an Jesus schenkt uns eine neue, eine andere Sicht auf die Welt und auf unser Leben. Wir leben in derselben Welt wie andersgläubige, wie nichtgläubige Menschen. Wir haben dieselben Probleme. Wir erleben Kriege, Streitereien. Wir erleben dieselben Unsicherheiten und Ängste durch die Corona Epidemie wie durch den Klimawandel.
Wir haben genug Grund, die Welt, die Zukunft schwarz zu sehen. Doch wir können als Christen diese Welt weiterhin als eine gute Schöpfung Gottes ansehen. Wir können sie als einen Ort betrachten, den wir gestalten können. Wir können darauf hoffen, dass Gott seine Welt zum Guten führen wird. Durch den Glauben können wir eine ganz andere Sicht, die Sicht Gottes bekommen.
Gott schaut auf das Herz des Menschen. So haben wir es ja in der Lesung aus dem Buch Samuel gehört. Nicht das „Aussehen und die stattliche Gestalt“ des Eliab lässt jemand zum König geeignet sein. Bei Gott zählen andere Qualitäten. Gott hat eine andere Sicht.
Jesus will auch uns eine neue Sicht auf das Leben schenken. Er wirkt auch an uns. Das kann auch uns Auseinandersetzungen bringen. Es kann auch für uns bedeuten, nicht verstanden zu werden. Wenn wir Jesus immer mehr erkennen, dann können wir auch zu unserem Glauben stehen. Lassen wir Jesus auch an uns wirken, lassen wir uns sehend, besser gesagt, immer tiefer glaubend machen.