3. Adventsonntag
Liebe Pfarrgemeinde!
- Ich habe gestern/vorgestern mit einem 20jährigen jungen Erwachsenen telefoniert. Er studiert in Innsbruck, ist aber momentan zu Hause und wacht in der Nacht am Bett der sterbenskranken Oma. Er erlebt zurzeit den Advent in seiner extremsten Form. Er wacht und wartet, bis Gott der Herr kommt, um seine Oma zu sich in die ewige Freude zu holen. Mir selber ist die Bedeutung von Advent wieder einmal aufgegangen, ja nachgegangen, als ich am Donnerstag zum kurz davor verstorbenen
101jährigen Pepe Pfister gerufen wurde. Für ihn ist der Advent – die Ankunft des Herrn – ganz konkrete Wirklichkeit geworden. - Haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn!, so haben wir in der Lesung aus dem Jakobusbrief gehört. Natürlich, die Erwartung der Ankunft des Herrn, wenn er kommt, uns zu sich zu holen, steht in unserem Denken und Fühlen nicht immer im Vordergrund, muss es auch nicht. Haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn! Als ich das so gelesen habe, ist mir sofort eine andere Dimension des Kommen Gottes in unser Leben eingefallen: das Kommen Gottes hier und heute in unser Leben. Auch hier braucht es manchmal ein geduldiges Warten und
Aushalten. Manchmal haben wir das Gefühl, dieser Gott ist weit weg, im Alltag ist nichts zu spüren von ihm. Vielleicht geht es dem einen oder der anderen so, wie es die Menschen vor Jahrhunderten immer wieder
erfahren haben. Im ersten Buch Samuel im Alten Testament heißt es:
In jenen Tagen waren Worte des Herrn selten; Visionen waren nicht häufig. Immer wieder – vor allem im Advent – wird vom Kommen
Gottes in unser Leben geredet, von Gottesbegegnung, von Gotteserfahrung. Spüren wir Gott in unserem Leben? Erfahren wir Gott im Leben, im Alltag oder hier in der Messe? - Es gibt Momente, da kann man deutlich spüren, Gott ist da, Gott wirkt hier oder: da war Gott im Spiel. Manche spüren das öfters, andere wiederum machen da eher längere Durststrecken mit. Haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn! sagt Jakobus. Haltet durch! Öffnet eure Herzen! Gottesbegegnung ist Gnade, ist Geschenk. Aber wir können Voraussetzungen dafür schaffen. Dazu eine Geschichte: Eine Frau schlendert durch ein Kaufhaus. Die Geschenke waren bereits alle gekauft und lagen goldverschnürt daheim. Aber sie hatte immer noch Träume.
Unschlüssig blieb sie stehen und überlegte: Warum kann man nicht immer das Schönste und das Teuerste auswählen? Es gab hier alle Herrlichkeiten auf Erden! Sie trat an den großen Tisch mit Kerzen.
Kerzen für den Advent, für Weihnachten, in allen Farben und Formen, eine Sinfonie aus duftendem Wachs. Gerade hatte sie eine Schachtel honiggelber Christbaumkerzen gewählt, da erblickte sie plötzlich eine Männerhand, unsicher tastend. Und dann eine zweite zierliche, die die erste sanft zu einer dicken Kerze führte. Erstaunt hob die Frau den Kopf und sah, dass der Mann blind war. Ein lauschendes Lächeln verjüngte seinen Mund, als er jetzt die Kerze behutsam wie eine Kostbarkeit
abtastete. Die Spitzen seiner Finger folgten dem Muster des Wachses, prüften die Formen der Verzierung. Leise fragte er die Frau neben sich.
Diese sagte: „Rot ist sie, und ihre Stimme war voller geduldiger Güte, ein schönes dunkles Rot!“ Er nickte und sein Gesicht sah glücklich aus. „Ja, die nehme ich!“ Unsere Frau, die alles beobachtet hatte, bezahlte ihre gelben Christbaum-kerzen und verließ sofort das Kaufhaus: Nein, ich brauche nichts mehr. Ich habe ja schon alles, ich kann ja sehen – und sie begann, tiefer zu sehen, tastend wie die Hand des Blinden. Sie fing an, Wesentliches zu sehen. - Wir haben wirklich alles, manchmal vielleicht sogar zuviel. Wir können sehen. Aber sehen wir auch das Wesentliche? Sehen wir, Spüren wir, dass Gott in der Welt, in unserem Leben wirkt? Manchmal muss man wirklich geduldig aushalten – Das mussten sogar Heilige. Die Heilige Theresia von Lisieux musste viel leiden und hatte auch Glaubenszweifel und Durststrecken. Und erst vor kurzem ist bekannt geworden, dass auch die Sel. Mutter Teresa Zeiten in ihrem Leben hatte, wo sie trotz Beten Glaubenszweifel hatte und Gott in ihrem Leben nicht mehr spürte. Haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn! Es ist gar nicht immer so einfach Gott im Leben zu spüren. Und gerade in diese Situation hinein
sagt der Apostel Jakobus: Haltet durch! - Liebe Pfarrgemeinde! Ja, Gottesbegegnung ist Gnade, ist Geschenk. Aber ich möchte euch einladen, gerade jetzt im Advent aller Realität zum Trotz, versuchen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, sich auf die Stille einzulassen, eine Kerze anzuzünden oder die Kerzen am Adventkranz, vielleicht wirklich wieder einmal in der Bibel zu lesen.
Oder einen abendlichen Spaziergang durch die Kälte und Dunkelheit zu machen und so still zu werden; oder bewusster Gottesdienste mitzufeiern. Ich möchte euch einladen und ermutigen, euch Zeit zu nehmen für Gespräche in der Familie, mit Freunden oder vielleicht mit Menschen, wo schon lange ein Gespräch, eine Aussprache nötig ist. Manchmal begegnet uns Gott auch im Mitmenschen. Haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn! Aber macht euch bereit!
Öffnet eure Herzen, damit Gott wirklich