Dreifaltigkeitssonntag 2021
„Ich kann Gott nicht verstehen…“ – Immer wieder hören wir diesen Satz von Menschen. Meist erzählen dabei schon ihre Augen von existentiellen Fragen, von tiefen Sorgen, von großer Angst. Und wenn die Menschen dann auch selber zu erzählen beginnen, dann hören wir oft die große Frage: „Wie kann Gott das zulassen?“
„Wie kann Gott all das Leid in der Welt, denn zulassen?“ – „Wie kann Gott es zulassen, dass ein Kind auf die schiefe Bahn gerät?“ – „Wie konnte Gott es zulassen, dass dieser schreckliche Unfall geschah?“ – „Wie konnte Gott es zulassen, dass diese Krankheit über mich gekommen ist?“ – „Wie konnte Gott das alles nur zulassen?“
Bei all diesen Fragen können wir dann ehrlicherweise auch nur antworten: „Ich weiß es nicht…“ Ich stelle mir ja all diese Fragen auch selber oft genug. Es ist doch ein guter, barmherziger, menschenfreundlicher Gott, an den ich glaube, den ich den Menschen verkünde.
Oft genug erlebe und erspüre ich Gott aber auch so: Wenn zwei Menschen sich finden und miteinander glücklich sind; wenn ein Kind geboren wird, obwohl die Zeit der Schwangerschaft schwierig war; wenn Menschen einander die Hand reichen; wenn ich mitten im Leben seine Nähe spüre, als könnte ich ihn mit Händen greifen; wenn ein Wort der Schrift mich mitten ins Herz hinein trifft.
Beides gehört zu meinen Erfahrungen mit Gott, das fragende Unverständnis ebenso, wie die Geborgenheit seiner Nähe. Beides begleitet mich an diesem Dreifaltigkeitssonntag. Dieses Fest will uns zeigen, wie sich der eine, ewige, unbegreifliche Gott dem Menschen in drei göttlichen Personen, Vater, Sohn und Heiliger Geist, geoffenbart hat, wie er den Menschen nahe kommen will, wie er sich nach dem Menschen sehnt.
Der evangelische Theologe Hans-Martin Barth versucht es einmal so zu erklären: „Warum braucht es … eine so komplizierte Vorstellung wie die der Dreieinigkeit? Letztlich ist sie gar nicht so kompliziert. Man versteht sie vielleicht besser, wenn man sich klar macht, wie sie entstanden ist. Die ersten Jünger und Jüngerinnen Jesu sind Jesus nachgefolgt, weil sie sich ihm nicht entziehen konnten und weil die Begegnung mit ihm ihrem Leben eine neue Perspektive gegeben hat. Damit hat sich ihnen natürlich die Frage nahegelegt: Woher kommt dieser Jesus, woher hat er diese Ausstrahlung und diese Anziehungskraft? Wie verhält sich das alles zu Gott, von dem doch schon im Alten Testament die Rede ist? Sie entdeckten die Beziehung zwischen Gott „dem Vater und „dem Sohn“. Und die Wirkung, die er auf sie ausgeübt hat, war so stark, dass sie sagen mussten: In ihm begegnet uns Gott selbst, in ihm manifestiert sich die göttliche Kraft. Gott selbst identifiziert sich mit ihm, mit seinem Lehren und Heilen, aber auch mit seinem Leiden und Sterben. In ihm wirkt „der Heilige Geist“, der uns ansteckt. Was machen wir jetzt? Wir müssen uns ändern, wir lassen uns taufen, um diese Kraft des Heiligen Geistes auch zu empfangen, um in ihr mit einander zu leben und Gutes zu tun.“
Meine Lieben, dieser Sonntag zeigt uns also Gott einerseits als den, der nicht einsam vor sich hin existiert, sondern in den drei Personen zuallererst liebevolle Gemeinschaft ist. Er zeigt uns Gott als einen, der sich sehnsuchtsvoll dem Menschen zuwendet. Aber er zeigt uns auch, dass Gott immer unbegreiflich bleibt, größer, geheimnisvoller, als ich es jemals denken könnte. Könnte ich den großen Gott mit meinem kleinen Verstand wirklich begreifen? Nein. Aber wir können seine Liebe, seine Verbundenheit unter uns leben und so seine Zeugen sein.